Folgen Sie jemandem? In wenigen Tagen wird nach 34 Jahren die letzte Folge der Lindenstraße ausgestrahlt. Viele haben die Entwicklung der Personen über Jahre hin im Fernsehen verfolgt. Sie sind ihnen gedanklich ge-folgt.

Folgen Sie jemandem? Auf Facebook, auf Twitter oder Insta? Cristiano Ronaldo Lady Gaga? Barack Obama oder Donald Trump? Diese Menschen ziehen andere in ihren Bann, faszinieren durch ihren Auftritt und ihre Worte. Umgekehrt verrät es einiges über uns, wem wir „folgen“: Unser musikalischer Geschmack, unsere politische Einstellung, unsere kulturellen Interessen und Vorlieben. Inzwischen gibt es kommerzielle Unternehmen, die Persönlichkeits-Profile mit Daten aus den sozialen Netzwerken erstellen. Frei nach dem Motto: „Sag mir, wem du folgst und ich sage dir, wer du bist.“ – oder vielleicht auch nur sein willst.

Folgen Sie jemandem? Man könnt auch fragen: „Wer oder was bewegt sie gerade?“ Denn das ist es ja: Als Follower werden wir bewegt, beeinflusst von Influencern. Durch sie verändern wir unser Denken, unsere Meinung, unser Lebensstil. Folgen heißt, sich bewegen – gedanklich und körperlich. Vor wenigen Jahren lautete der Titel eines erfolgreichen Buchs: „Ich bin dann mal weg.“ Als Nachfolger machen wir uns auf zu neuen Ufern.

Im Lukasevangelium im 9. Kapitel klingt das so:

Und als sie wanderten auf dem Weg, sagte jemand zu ihm:
Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst.“
Da sprach Jesus zu ihm:
Die Füchse haben einen Bau und die Vögel des Himmels Nester,
aber der Menschensohn hat nichts wo er den Kopf hinlege.“
Er sprach aber zu einem anderen: „Folge mir nach!“
Der aber sprach: „Herr, erlaube mir zuerst hinzugehen und meinen Vater zu begraben.“
Er sprach aber zu ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes.“
Und es sprach aber auch ein anderer: „Ich will dir nachfolgen! Herr zuerst aber erlaube mir, von denen in meinem Hause Abschied zu nehmen.
Aber Jesus sprach zu ihm: „Niemand, der die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, ist brauchbar für das Reich Gottes.“

Heimat und Fremde

Die Füchse haben einen Bau und die Vögel des Himmels Nester, …“

Ein Ort, an dem alles gut und alles an seinem Platz ist: Zuhause. Daheim. Heimat. – Diese Worte haben gerade Konjunktur. Seit dieser Legislaturperiode haben wir ein Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Im Jahr 2017 fanden in Karlsruhe Heimattage statt und sogar ein Nachtclub trägt in Karlsruhe den Namen H-E-I-M-A-T. „Home, sweet Home?“

Im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache kann man sich die Häufigkeit von Wörtern in deutschen Zeitungen seit 1945 anzeigen lassen. Gibt man Daheim oder Zuhause ein, erscheinen steil ansteigende Verlaufskurven.

Angefangen hat es mit IKEA. „Mach es dir Zuhause schön gemütlich.“ Dann machten alle plötzlich Marmelade und Müsli selbst. Ein richtiges Genre von Zeitschriften und Büchern entstand. Hochauflösende Bilder locken seitdem mit der Utopie einer heilen Welt – besonders gern junge Familien mit Kindern! Wenn es diese Heile Welt schon nicht da draußen gibt, dann wenigstens in den eigenen vier Wänden! Dieses Sofa-zentrische Weltbild versucht eine Antwort auf die Härten des Lebens zu geben.

Jesus sagt einem möglichen Follower etwas ganz anderes:

Die Füchse haben einen Bau und die Vögel des Himmels Nester,
aber der Menschensohn hat nichts wo er den Kopf hinlege.“

Dieser eigenartige Influencer bietet gerade keine hochauflösenden Bilder von heimeligen Sofa-Landschaften mit ansprechenden Naturmaterialien. Man kann denken: In Zeiten einer sich immer schneller drehenden Welt, wo sich rechte Gewaltexzesse, Flüchtlingskrisen und jetzt das Corona Virus die Klinke in die Hand geben, ist das Zuhause doch kein so schlechter Ort.

Ja, wir brauchen den Rückzug und den Rückhalt im Zuhause. Und doch spricht aus der steilen Aussage aus dem Mund Jesu die Einsicht: „Es kann kein Ministerium für Geborgenheit geben!“ Nichts auf dieser Welt kann diese Sehnsucht garantieren. Das Leben ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Um es zu bestehen, braucht es eine kopernikanische Wende: Vom Sofa-zentrischen zum Christo-zentrischen Weltbild. Jesu Ruf Folge mir nach!“ heißt: „Lass alle anderen Gewissheiten. Verlasse dich ganz auf mich. Es kann weh tun, es kann sich fremd anfühlen, aber ich bin da!“

Tod oder Leben

Es waren wohl Menschen mit prophetischen Gaben, die sich das Motto der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland überlegt haben. Es lautet: „Zuversicht. Sieben Wochen ohne Pessimismus.“ In den bewegten Wochen, die uns bevorstehen ist das ein kühnes Programm. Können wir uns das leisten?

Er sprach aber zu einem anderen: „Folge mir nach!“
Der aber sprach: „Herr, erlaube mir zuerst hinzugehen und meinen Vater zu begraben.“
Er sprach aber zu ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes.“

Lass die Hamster ihre Einkäufe machen!
Lass die Pessimisten in ihrem Pessimismus baden!
Lass den Ängstlichen ihren Wohnzimmer-Bunker!
Du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes!
Mache den Verzweifelten Mut!
Erledige den Einkauf für die ältere Nachbarin.
Betreue die Kinder der berufstätigen Nachbarn mit den eigenen.
Greife zum Hörer und sprich mit den Einsamen.
Schenke den Mitmenschen dein Lächeln.
Rede von deinem Glauben
Lass dir Hoffnung schenken
Übe die Liebe.

Eine solche Zuversicht: Können wir uns das leisten? Als Christen ist uns gesagt: „Die Rechnung geht aufʼs Haus!“ Für uns ist gesorgt! Weil sich Jesus Christus für uns verschenkt hat, können wir gegenüber anderen großzügig sein. Das ist die kopernikanische Wende: Vom Sofa-zentrischen zum Christo-zentrischen Weltbild. Wie diesen Follower lädt uns Jesus Christus ein, angesichts des Todes den Weg des Lebens zu gehen.

Augen auf

Manche werden fragen: Ist das nicht ein bisschen zu optimistisch gedacht? Ist das nicht etwas zu sehr rosarote Brille? Tatsächlich hat die Antwort auf diese Frage etwas mit unseren Augen zu tun. Bei Lukas heißt das:

Aber Jesus sprach zu ihm: „Niemand, der die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, ist brauchbar für das Reich Gottes.“

Jesus zu folgen heißt „rücksichtslos“ zu sein. Ohne ständigen Schulterblick auf ein Ziel ausgerichtet sein.

Als Familie sind wir bei gutem Wetter mit den Kindern gerne draußen auf dem Fahrrad unterwegs. Unsere beiden größeren Töchter lieben das Radfahren. Am Anfang waren sie noch vorsichtig. Aber sobald die Abläufe einigermaßen routiniert sind, gehen ihre Blicke gerne auch zur Seite und nach hinten. Mantramäßig rufen wir ihnen dann zu: „Nach vorne schauen!“ Das funktioniert so mittel… Immer wieder kommt es vor, dass sie dabei Hindernisse übersehen oder einfach so ins Schlingern kommen und am Ende auf dem Boden landen.

Als Jesu Follower sind auch wir in Bewegung. Gerade jetzt drängen andere Gewissheiten, Sorgen und Ängste in unseren Gesichtskreis und wetteifern um unsere Aufmerksamkeit. In diesem Sinn mahnt uns Jesus keine „Rücksicht“ zu nehmen, nicht nach hinten oder rechts und links zu sehen. Wer in Bewegung ist, fährt gut damit „Vorsicht“ zu übennach vorne zu schauen und sich auf den auszurichten, der uns zuruft: Folge mir nach!

Der Name des heutigen Sonntags lautet Oculi, d. h. „Augen“. Dieser Name kommt aus dem Tagespsalm, den wir gebetet haben.

Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten…“

Das Gegenstück dazu steht einige Verse zuvor:

Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Mathias Thurner, Lehrvikar, Karslruhe-Rüppurr, 15.3.2020